Wir verließen schließlich den Tayrona Nationalpark nach einem letzten
gemeinsamen, leckeren Mittagessen und fuhren in Richtung Nordosten auf die
Guajira Halbinsel. In dieser Wüstenregion leben nur wenige Menschen und vor
allem Indigene, die für ihr Kunsthandwerk, vor allem die typisch
kolumbianischen Taschen bekannt sind. Bis nach "Cabo de la Vela" konnten
wir mit unserem Power Alfonso ohne Probleme fahren auch wenn es teilweise durch
endlose Sandwüste ging und wir uns an Reifenspuren und unserem GPS orientieren
mussten.
Für den letzten Teil, bis zum nördlichsten Punkt Südamerikas, buchten
wir jedoch eine Jeeptour, da die Sanddünen ohne Allradantrieb nicht zu meistern
sind. Mit jedem Kilometer änderte sich die Landschaft. Anfangs war es noch
recht grün, viele einheitlich große Bäume säumten die Straße und zahlreiche
Ziegen fraßen sich an den Blättern satt. Mit der Zeit wurde es immer karger,
die Bäume wurden durch Kakteen ersetzt und selbst diese wurden immer
spärlicher, bis wir an einer Stelle vorbeikamen, an der sogar die Kakteen
vertrocknet waren. In manchen Teilen der Wüste hat es wohl seit drei Jahren
nicht mehr geregnet, während ein paar Kilometer weiter die Straßen in der
Regenzeit regelrecht überflutet sind.
In Cabo angekommen parkten wir Alfonso direkt am Meer und sprangen ins
erfrischende Wasser. Die Karibik zeigte sich hier mal wieder von ihrer
schönsten Seite: feiner, weicher Sand und kristallklares Wasser, das in verschiedenen
Blautönen bis zum Horizont reicht. Man konnte meterweit in dem flachen, ruhigen
Wasser ins Meer hineinlaufen oder sich einfach in das erfrischende, kühle
Wasser legen und treiben lassen. Sehr entspannt! Wir setzten uns in unsere
Campingstühle und genossen die traumhafte Aussicht. Immer wieder kamen Kinder und
Frauen vorbei, die uns Armbändchen und Taschen verkaufen wollten. Wenn wir
nichts kaufen wollten fragten sie, ob wir ihnen Wasser oder etwas zu Essen
geben können. Also schenkten wir den Kleinen unsere restliche Osterschokolade
und gaben etwas von unserem Wasser ab – glücklicherweise hatten wir unseren 20
Liter Tank kurz davor noch aufgefüllt. Echt ein komisches Gefühl, wie wertvoll
"ganz normales" Wasser sein kann.
Am Nachmittag schlenderten wir etwas durch das kleine Örtchen und
besichtigten die wenigen Souvenirläden, in welchen die einheimischen Frauen
ihre Kunstwerke verkauften. Es gab zahlreiche Taschen, Armbändchen,
Hängematten, traditionelle Kleider, Schmuck etc. und alles handgefertigt.
Außerdem konnte man Haifischöl kaufen, welches wohl gut gegen Erkältungen sein
soll, wir bleiben dann aber doch lieber bei Kräutertee und Propolis.
Da entdeckten wir in einem Restaurant alte Bekannte: Corinna &
Verena, mit denen wir schon in Minca und Palomino waren, verspeisten gerade
einen leckeren Hummer. Wir setzten uns also zu ihnen, probierten etwas von dem
edlen Essen und planten für den nächsten Tag gemeinsam die Jeeptour zu
"Punta Gallinas" zu unternehmen. Für 150.000 COP (umgerechnet 45€) buchten
wir die 1 ½ tägige Tour durch die Wüste zum nördlichsten Punkt Südamerikas.
Für den Abend in Cabo befolgten wir Annis Tipp: wir fuhren zum
"Pilon de Azucar" um von dort den Sonnenuntergang anzuschauen. Und
die Aussicht war bombastisch. Mit unserem letzten Rum aus Guatemala und Tequila
aus Mexiko setzten wir uns auf den kleinen Berg, legten Jack Johnson auf und
beobachteten wie die Sonne unterging, bzw. irgendwann einfach im Dunst des Meeres
verschwand.
Am nächsten Morgen um 5 Uhr trafen wir uns mit unserem Chauffeur an
seinem Jeep, wo schon ein Heidelberger wartete, der wie wir die Tour machen
wollte. Und schon ging es los. Unser Fahrer raste mit uns über Sandverwehungen,
Steinstraßen, Schlaglöcher, Matsch und im Slalom zwischen Kakteen durch die
Wüste. Immer wieder sperrten Kinder mit Seilen die Straßen und wollten Geld,
Essen oder Süßigkeiten. Corinna & Verena waren darauf vorbereitet und
hatten extra Waffeln gekauft für die Kiddies. Hier ist die Versorgung teilweise
wohl so schlecht, dass immer wieder Kinder verhungern oder verdursten wie wir
im Nachhinein erfahren haben. Nach einem kurzen Stopp an einem kleinen
Süßwassersee, in dem sich Flamingos tummelten, kamen wir zu einem von Mangroven
bewachsenen Fluss.
Wir wechselten vom Jeep zu einem kleinen Boot und kamen nach
kurzer Fahrt bei der Herberge an, in der wir die Nacht in Hängematten verbringen
wollten. Von dort ging es mit weiteren Touristen, hauptsächlich Deutsche, auf
einem anderen Jeep weiter. Diesmal standen wir hinten in einem Gitter auf der
Ladefläche und ließen uns den angenehmen Wind durch die Haare blasen. Am ersten
Stopp, dem nördlichsten Punkts des Kontinentes, waren vor allem die vielen
kleinen Steinmännchen die Touristen vor uns aufgebaut hatten schön anzuschauen.
Anschließend hielten wir noch kurz an einem Aussichtspunkt über das Meer und
die Wüstenlandschaft, das Highlight war jedoch der letzte Stopp: die "Dünen
von Taroa" die steil ins Meer münden. Flo und die anderen Jungs rannten und
rollten direkt die Dünen hinunter bis ins Meer. Helen und Corinna gingen das
alles etwas gemütlicher an, vor allem als sie die extreme Steigung sahen!! Wir
genossen die Erfrischung im Meer und mussten anschließend unter großer
Anstrengung die Düne wieder hochlaufen. Flo tat sich das insg. viermal an, da
er großen Spaß daran hatte die Düne bis zum Meer wieder herunter zu kugeln. Danach
ging es dann zurück zum Hängemattencamp wo wir einen entspannten Nachmittag und
Abend verbrachten.
Am nächsten Morgen ging es schon bald mit dem Jeep zurück nach Cabo, wo
Alfonso auf uns wartete. Nach einem letzten Bad im karibischen Meer fuhren wir
weiter Richtung Süden. Nun mussten wir
uns endgültig von der Karibik verabschieden, denn ab jetzt fahren wir durchs
Landesinnere und werden frühestens in Ecuador wieder das Meer sehen, und das
ist dann wieder der Pazifik. In Uribia füllten wir unseren Tank und alle leeren
Kanister und Flaschen die wir finden konnten mit Benzin. Dank der Nähe zu
Venezuela ist das hier nämlich unschlagbar günstig (knapp 40ct der Liter). Neben dem Kunsthandwerk und
den Touristen ist der Verkauf von Benzin die Haupteinnahmequelle der Indigenen.
Auf Eseln oder Fahrrädern gehen sie durch die Wüste nach Venezuela und kaufen
dort das spottbillige Benzin und schmuggeln es über die Grenze. Im Norden
Kolumbiens kann man das dann z.T. in ehemaligen Coca Cola Flaschen kaufen.
Es war krass, wie die Landschaft sich in der kurzen Zeit änderte je
weiter wir ins Landesinnere fuhren. Von Minute zu Minute wurde es grüner und
plötzlich kamen wir in ein starkes Gewitter mit so viel Regen, dass die Straßen
richtig überflutet wurden. Ein krasser
Kontrast zu der vertrockneten Wüste aus der wir am Morgen gestartet sind. Für
uns war das ein Segen, denn so wurde
direkt der salzige Sand von Alfonso abgewaschen. Kurz vor Dämmerung
kamen wir an unserem Ziel an: Valledupar. Dort hatten wir die Hoffnung unseren
Propantank endlich wieder auffüllen zu können und wollten außerdem die Mutter
von Danilo besuchen. Leider hatten wir einen weiteren Punkt auf dem Programm:
einen Arzt suchen, denn die holprige Jeep Tour hatte Helens Rücken so
zugesetzt, dass sie ziemliche Schmerzen hatte und kaum noch sitzen bzw. laufen
konnte. Inzwischen wissen wir mehr. Nach dem nicht besonders erfolgreichen
Arztbesuch in Valledupar und zwei gequälte Wochen später haben wir in Neiva
endlich einen Orthopäden gefunden der Helen dank MRT und Röntgenbildern
weiterhelfen konnte. Mit vielen Massagen und Dehnübungen mit Flos Hilfe, ein
paar Schmerztabletten und Spritzen haben wir es wieder hinbekommen und die
Reise kann unbeschwert weitergehen – nur Bungee Jumping muss sie leider von
ihrer Bucket Liste streichen.
Eigentlich wollten wir nur ein oder zwei Tage in Valledupar verbringen,
blieben aus verschiedenen Gründen schließlich jedoch vier Nächte:
Wir besuchten wie geplant Danilos Mutter. Sie fuhr mit uns im Auto
durch die Stadt, zeigte uns die Sehenswürdigkeiten und lud uns zu einem
leckeren, typisch kolumbianischen Essen ein. Dabei fuhren wir unter anderem
durch das Villenviertel, wo sie uns die Häuser stadtbekannter Drogenbosse
zeigte – sehr beeindruckend.
Die Propan-Schnitzeljagd: Flo klapperte mit Helen im Gepäck etwa 5
Tankstellen und Gasläden ab, wo wir immer weitergeleitet wurden, bis wir
endlich zur einzigen Propananlage der Stadt fanden. Unsere große Hoffnung, den
Tank direkt in der Anlage befüllen zu können wurde schon bald zerschlagen. Aus
Sicherheitsgründen wurden wir gar nicht erst aufs Gelände gelassen und außerdem
ist das Befüllen privater Propanflaschen in Kolumbien wohl verboten. Wir
bekamen jedoch die Handynummer eines Fahrers der Firma, der die Gasflaschen
direkt in der Stadt verkauft.
Also riefen wir ihn an und der nette Mann wollte sich direkt die Zeit
für uns nehmen. Auf seinen Ratschlag ließen wir uns einen neuen Adapter drehen
und verabredeten uns für den nächsten Tag. Gemeinsam mit einem Kollegen wollte
er unseren Tank direkt von einer Flasche befüllen. Nach einigem Hin und Her
klappte das schließlich auch und 5 Stunden, viel Engagement und Improvisation
später war unser Tank halbvoll und die Gasflasche leer. Zwischendurch
versorgten wir sie mit Eiskaffee, Bier, Cola und Snacks, hatten jedoch schon
Angst, wie viel uns die Arbeit am Ende kosten würde. Umso überraschter waren
wir, dass die Beiden außer den Materialkosten nichts für ihre Arbeit wollten. Wir
waren sehr happy, hofften jedoch noch einen besseren Weg zur Tankbefüllung in
Südamerika zu finden.
Unsere Begegnung mit der Polizei: Da die private Befüllung von
Propantanks in Kolumbien ja nicht so ganz legal ist suchten wir ein etwas
abgelegenes Plätzchen, damit die Polizei uns nicht unbedingt dabei sieht. Nach
etwa einer halben Stunde hielten 8 Polizisten auf Motorrädern vor Alfonso und
wir bekamen schon etwas Schiss, doch recht schnell stellte sich heraus, dass
diese einfach von Alfonso begeistert waren und sich nicht für das Propan
interessierten. Also erzählten wir von unserer Reise, sie wollten Fotos von
Alfonso und uns machen und schließlich tranken wir gemeinsam Kaffee, bekamen
Reisetipps für den Süden Kolumbiens und quatschten bestimmt eine Stunde mit den
wirklich netten Beamten. Irgendwann kamen immer mehr neugierige Polizisten und
wir standen kurzeitig in einer Traube hellgrüner Motorräder, Jeeps und
Polizisten. Nicht nur die Polizisten, auch viele Anwohner kamen immer wieder zu
uns und lauschten gespannt unseren Erzählungen. Eine Nachbarin lud uns
schließlich ein, wenn wir fertig sind bei ihr zu duschen. Da es wirklich
unangenehm heiß war und der Straßenstaub an uns klebte nahmen wir das Angebot
auch gerne an.
Einer der Polizisten gab uns schließlich seine Handynummer und Adresse
und lud uns ein zu ihm nach Hause zu kommen um bei ihm zu übernachten und seine
Familie kennenzulernen. Nach der Dusche bei der Nachbarin fuhren wir also zu
der Familie des Polizisten. Der lebt in einer Patchwork Familie mit seiner
Freundin und insg. 4 Kindern in einem schönen Häuschen am Stadtrand. Wir
spielten mit den Kiddies, machten Musik, Flo ließ sich zu einer Partie
Barfußfußball überreden, wobei er sich wahrscheinlich einen Kapselriss im
großen Zeh zuzog, wir zeigten ihnen Alfonso und wurden direkt voll
beschlagnahmt, so dass wir uns spontan überreden ließen den nächsten Tag auch
noch bei der Familie zu verbringen. Am letzten Abend machten wir einen
Motorradausflug mit der ganzen Familie: der Vater mit Flo und dem vierjährigen,
die Mutter mit Helen, die 13 jährige mit dem Kindermädchen auf drei Rollern und
die zwei Jungs (acht und elf Jahre) auf einem Quad. Alles nicht so ganz den
Verkehrsregeln entsprechend, da die Eltern aber selbst bei der Polizei sind,
wissen sie ja ungefähr wo die Kontrollen nachts patrouillieren. Der Ausflug
machte super Spaß und wir sahen endlich auch das
einzig Sehenswerte der Stadt neben der Vallenato Musik, den Fluss.
Generell müssen wir an dieser Stelle mal erwähnen, dass die Kolumbianer
unglaublich freundlich, offen und herzlich sind und die Gastfreundschaft der
Lateinamerikaner die wir bis jetzt getroffen hatten, nochmals übertreffen. Sie
sind unglaublich unkompliziert, Privatsphäre z.B. wird hier ganz anders gesehen
als bei uns. Wir wurden nun schon so oft von fast wildfremden Leuten in deren
Zuhause eingeladen, persönliche Themen wie Fremdgehen, Menstruationsbeschwerden
und Sex sind vollkommen normal und man hat nach wenigen Minuten das Gefühl, man
ist schon jahrelang befreundet. Generell ist man hier als Tourist mehr als
Willkommen. Sie sind regelrecht stolz darauf, dass wir ihr Land besuchen und
tun alles dafür, dass man sich wohl fühlt. Unsere Theorie ist, dass Kolumbien
als Reiseland aktuell erst im Kommen ist und jahrelang aufgrund der
Drogenkriege kaum Tourismus hatte. Touristen sind also das Zeichen dafür, dass
es dem Land wieder gut geht und in Zukunft noch besser gehen wird.
Dann ging es weiter Richtung Bucaramanga. Auf dem Weg
hielten wir in Bosconia, da wir erfahren hatten, dass man uns dort unseren
Propantank evtl. direkt von der Anlage befüllen kann. Da es auf dem Weg lag und
unser Tank nur etwa halbvoll war, versuchten wir unser Glück. Nach kurzem
Smalltalk und Inspizierung unseres Anschlusses fuhren die Jungs vom Gelände
einen großen Tank LKW neben Alfonso und befüllten ihn in wenigen Sekunden bis
zum Anschlag. So schnell ging das bis jetzt noch nirgends!
Die Landschaft auf der Strecke war unglaublich schön
und vielseitig. Nun sind wir wieder in einer kühleren, bergigen Region und
haben die heiße, trockene Küste Kolumbiens endgültig hinter uns gelassen. Auf
halber Strecke suchten wir einen Schlafplatz und starteten noch ein Experiment:
Wir hatten ein Rezept für
selbstgemachtes Sauerkraut gefunden und wollten das direkt ausprobieren. Also
schnibbelten und stampften wir einen Kohl und sind nun gespannt was daraus wird.
Durch Bucaramanga selbst fuhren wir schnell durch. Die Stadt gefiel uns
überhaupt nicht und der Verkehr war unangenehm und chaotisch. Außerdem hatten
wir dort direkt ein negatives Erlebnis. Flo wurde innerhalb kürzester Zeit von
3 Männern angesprochen, dass die Lenkstange unseres Autos kaputt sei und dass
diese es schnell reparieren können. Das kam uns sehr dubios vor, doch etwas
Bammel hatten wir schon. Als wir es später checken ließen war natürlich nichts
und wir waren froh, dass wir nicht auf den fiesen Trick reingefallen sind.
Unser nächster Halt war Curití, ein kleines,
kolonialistisches Dorf das uns empfohlen wurde. Am Dorfrand liegt ein kleiner
See, zu welchem wir fuhren und dort einen gemütlichen Vormittag verbrachten.
Wir wuschen Wäsche und bastelten an Alfonso bis wir zufällig alte Bekannte
trafen. Die beiden Franzosen, Leticia & Quentin hatten wir das erste Mal im
Tayrona Park getroffen, und danach nun insg. noch 3 weitere Male. Sie sind 14
Monaten durch Südamerika gereist und nun am Ende ihrer Reise angelangt. Sie
gaben uns viele Tipps für unsere Weiterreise durch Ecuador und Peru und wir
verabredeten uns am nächsten Tag gemeinsam etwas zu unternehmen. Am Nachmittag
gingen wir zurück ins Dorf um die Spezialität der Gegend zu probieren: "Hormigas Culonas", Riesenameisen
mit einem gigantischen Hinterteil. Fazit: wir haben's probiert, müssen aber
keinen Vorrat davon mitnehmen.
Unsere Franzosen trafen wir am nächsten Tag in
Sangil, wo wir sie an ihrem Hostel abholten und weiter nach Barichara fuhren.
Sangil ist ein nettes kleines Dorf, das vor allem für die dort angebotenen
Abenteuer wie Rafting, Bungee Jumping, Paragliding etc. bekannt ist (Aufgrund
unserer Verletzungen mussten wir darauf jedoch verzichten). Barichara ist ein
noch kleineres Dorf, mit süßen Gässchen, einem netten Dorfplatz und einem
wunderschönen Aussichtspunkt über die umliegenden Berge. Dort parkten wir
Alfonso und hatten den perfekten Schlafplatz gefunden. Die Franzosen zelteten
vor Alfonso und wir hatten einen netten Abend mit Rum, gegrillten Würstchen,
Musik und witzigen Gesprächen.
Schon am Abend war die Aussicht traumhaft schön, doch der Sonnenaufgang
toppte das direkt nochmal. Die in den Bergwipfeln hängenden Schäfchenwolken
wurden rosa angestrahlt und die Sonne tauchte das Tal in ein warmgelbes Licht.
Nach dem Frühstück brachte Quentin uns bei Armbändchen zu knüpfen und schenkte
uns jeweils eins, bzw. Flo machte seines unter seiner Anleitung direkt selbst. Anschließend
fuhren wir gemeinsam nach Villa de Leyva, wieder ein kolonialistisches
Dörfchen.
Nach einem entspannten Tag mit unseren Freunden trennten sich unsere
Wege und wir fuhren weiter zu unserem nächsten Ziel: Die Tatacoa Wüste bei
Neiva. Wir hatten knapp 500km Fahrt vor uns und mussten unter anderem durch die
riesige Hauptstadt Bogotá fahren. An der letzten Ampel nahmen wir zwei Tramper
mit. Er kommt aus Hamburg, sie aus Peru und sind schon seit 2 bzw. 3 ½ Jahren
unterwegs. Da wir ein ganzes Stück die gleiche Strecke hatte und es langsam
Zeit wurde einen Schlafplatz zu suchen, fragten sie, ob sie nicht neben Alfonso
ihre Hängematte aufhängen können und am nächsten Morgen die restliche Strecke
mit uns weiterfahren können – so schnell hatten wir wieder neue Mitfahrer. Wir
stellten uns an den Straßenrand neben einem Fluss, machten ein Lagerfeuer und
quatschten über unsere Reisen.
Wir nahmen die Beiden das letzte Stück mit bis sich unsere Wege
trennten und fuhren weiter nach Neiva, wo wir uns in erster Linie um Helens
Rücken kümmerten. Als wir durch das Stadtzentrum schlenderten trafen wir einen
netten Rentner, der uns unbedingt zum Kaffee einladen wollte als er hörte, dass
wir aus Deutschland kommen. Er selbst war letztes Jahr mit seinem Sohn in
Deutschland und sehr begeistert von Land und Leuten, weshalb er uns gerne etwas
von der Freundlichkeit, die er in Deutschland erlebt hatte, zurückgeben wollte.
Er zeigte uns ein paar Sehenswürdigkeiten, hätte uns auch noch zum Mittagessen
eingeladen und gab uns den Kontakt seines Sohnes in Buenos Aires, falls wir da
vorbeikommen sollten.
Am Abend fuhren wir in die Tatacoa Wüste. Dort fühlten wir uns wie
zurück in den Nationalparks der USA, nur mit etwa 20 Grad mehr. Die Landschaft
wandelte sich von saftig grünen Wiesen zu roten und schließlich grauen Felsen
und Schluchten zwischen denen vereinzelt Kakteen ihren Weg suchen. Und
mittendrin etwas ganz Neues: ein Filmteam hatte sich niedergelassen um eine
neue Serie zu drehen, die im November rauskommen soll. Man konnte ohne Probleme
über den Drehplatz laufen, also ließen wir es uns nicht nehmen hier und da ein
Steinmännchen zu bauen…mal schauen, vielleicht erkennen wir es im Film ja
wieder.
Auf dem Rückweg hielten wir noch in dem kleinen Dorf Villavieja, wo wir
in den erfrischend kühlen Fluss sprangen, da es in der Wüste teilweise 45 Grad
hatte. Flo freundete sich direkt mit zwei kleinen Jungs an, sie gingen zusammen
angeln und fingen sogar zwei Fische, die wir jedoch den Jungs ließen.
Anschließend machten wir uns auf den Weg nach San Agustin, ein kleines
Dorf in den Anden, das vor allem für seine archäologischen Ausgrabungen berühmt
ist. Das Benzin in der Gegend ist
unglaublich teuer, vor allem wenn man die billigen Guajira Preise kennt,
wo man etwa die Hälfte bezahlt. Wir zögerten das Tanken also etwas raus, so
dass Alfonso an einer Ampel plötzlich ausging. Gottseidank war unser Ersatztank
noch voll und wir konnten schnell ein paar Liter einfüllen. Die restliche
Strecke verlief jedoch problemlos.
Wir kamen immer tiefer in die Anden Kolumbiens und die wunderschöne
Landschaft machte den langen Fahrttag erträglich: die Berge sind von dunkelgrünem
Dschungel bewachsen, immer wieder macht dieser Kaffeeplantagen Platz, die von
einzelnen, hellgrünen Palmen durchwachsen sind. Dazwischen grasen Kühe auf
saftigen Weiden, kleine Bauernhäuser sind über die Berge verteilt und kleine
Bäche fließen durch das Tal.
Auch das Klima ist hier wieder einiges kühler, was vor allem zum Schlafen
sehr angenehm ist.
In San Agustin entschieden wir uns gegen eine Tour zu den Ausgrabungen
und für einen Ausflug zum "Estrecho de Magdalena", der engsten Stelle
des Rio Magdalena. Außerdem trafen wir alte Bekannte wieder: Edda & Helmut,
das deutsche Ehepaar das gemeinsam mit uns ihr Auto von Panama nach Kolumbien
verschifft hatte. Sie luden uns zum Abendessen bei einem sehr edlen Italiener
ein und wir unterhielten uns über die letzten zwei Monate die wir in Kolumbien
verbracht hatten. Sie hatten eine sehr ähnliche Route wie wir genommen und
waren genauso begeistert von Land und Leuten. Außerdem unterhielten wir uns,
welche Route wir nach Ecuador nehmen wollen und stellten fest, dass wir uns
ohne es zu wissen für ein Abenteuer entschieden hatten: wir wollten von San
Agustin nach Mocoa und von dort aus nach Pasto fahren. Der Teil von Mocoa nach
Pasto ist wohl eine der gefährlichsten Straße Kolumbiens und wird auch
"trampolin de la muerte" (Todestrampolin) genannt. Wir informierten
uns also noch ein bisschen über die Route und beschlossen schließlich sie zu
fahren, trotz des abschreckenden Namens.
Davor wollten wir jedoch noch zum
"Ende der Welt": kurz hinter Mocoa ist ein Wasserfall namens
"Fin del Mundo" von dem wir schon in Medellin gehört hatten und ihn
anschauen wollten. An dem Startpunkt der kleinen Wanderung zum Wasserfall
trafen wir ein französisches Pärchen in unserem Alter und schlossen uns
zusammen. Die Beiden sind auch mit einem Auto unterwegs, jedoch die kleinere
Version: ein Peugeot 306, den sie ebenfalls zum Schlafen nutzen (immer wieder
kommen wir uns mit Alfonso wie Luxusreisende vor).
Der Wasserfall ist wunderschön und hat seinen Namen wahrlich verdient:
wir wanderten entlang des Flusses bis zu der Stelle wo das Wasser etwa 70 Meter
in die Tiefe stürzt. Neben dem Wasserfall kann man sich auf dem Bauch auf die
Steine legen und dem Wasser hinterher schauen. Von oben sieht es jedoch so aus,
als würde die Erde einfach aufhören.
Nachdem wir also das Ende der Welt gesehen hatten machten wir uns auf
den Weg zum Todestrampolin.
In engen Serpentinen schlängelt sich die Schotterstraße stundenlang die
mit Urwald bewachsenen Anden hinauf. Wir mussten mehrere niedrige Flüsse
durchqueren und neben der teilweise nur 2,50m breiten, unbefestigten Straße ging
es bis zu 400m in die Tiefe. Meistens gab es zwar Leitplanken, jedoch nach etwa
jeder zehnten Kurve wurde sie von einem Erdrutsch oder einer Steinlawine
abgerissen und hing den Berg hinunter.
Glücklicherweise gab es genügend Haltebuchten, sodass wir bei
Gegenverkehr nie weit rückwärts fahren mussten.
Schade war nur, dass die meiste Zeit starker Nebel war, so dass wir von
der wunderschönen Landschaft nur wenig sehen konnten. Was wir jedoch sahen war
die Reise schon wert!!
Auf etwa halber Strecke hatten wir eine Reifenpanne, wahrscheinlich hat
ein spitzer Stein ein Loch in den Reifen gepikst. Einer halbe Stunde Boxenstopp
und einen warmen Kaffee später ging es weiter, bis wir einen Schlafplatz fanden.
Wir parkten auf dem "Sportplatz" einer Schule, wo wir sogar Klo und
Dusche hatten. Neben der Schule war nur ein weiteres Haus, wahrscheinlich
kommen die meisten Kinder aus den Bergen in der Umgebung.
Am nächsten Vormittag fuhren wir den Rest der Todesstrecke, bis wir in
Pasto ankamen, die letzte größere Stadt vor der Grenze zu Ecuador.
Nun haben wir gut zwei Monate in diesem großen, vielseitigen und sehr
schönen Land verbracht und freuen uns auf die nächste Station: Ecuador.
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