Freitag, 27. Mai 2016

Ecuador




Bisher gefahrene Kilometer: 27000

Direkt am ersten Tag in Ecuador wurden wir in Tulcán von einer Frau auf der Straße angesprochen und für den nächsten Tag zum Essen zu ihr nach Hause eingeladen. Bei einem typischen Frühstück unterhielten wir uns über die aktuelle politische Situation, die Folgen des Erdbebens und bekamen Empfehlungen und Kontakte für unsere Weiterreise in Ecuador.
Am Nachmittag trafen wir uns mit unseren französischen Freunden, die wir in Kolumbien kennengelernt hatten und mit denen wir die folgende Woche verbrachten. In Autokolonne fuhren wir nach Otavalo, wo wir den berühmt berüchtigten Kunsthandwerkmarkt der Indigenen besuchen wollten. Nach einem erfolgreichen Shoppingtag über den wirklich schönen Markt gönnten wir uns noch ein paar ecuadorianische Leckereien: "Fritadas", ein Teller voller frittierter Dinge, die es an jeder Ecke gibt und zum Nachtisch ein "Helado de paila", ein Eis das noch nach der traditionellen ecuadorianischen Art hergestellt wird. Die Zutaten werden in einer Kupferschüssel gemischt, die wiederum in eine Wanne mit Eis & Salz gestellt wird. Dann wird die Schüssel etwa 10 Minuten lang mit viel Schwung gedreht, bis die die Masse gefriert und nach und nach zu einem cremigen Eis wird.
Am Nachmittag fuhren wir weiter nach Quito bzw. zur "Mitad del Mundo" – der Mitte der Welt. Auf einem Teil des Äquators der durch Ecuador läuft wurde ein Turm erbaut und die Linie, die die Nord- von der Südhalbkugel trennt aufgemalt. Jedoch ist der Turm wohl ein paar hundert Meter in Richtung Süden verschoben und deshalb gar nicht wirklich auf dem Äquator. Wir hatten trotzdem viel Spaß dabei von Nord nach Süd zu hüpfen.

Da Alfonso die letzten Tage immer sehr schlecht startete und lange brauchte um warm zu werden, schauten Clement (Mechaniker) & Flo sich den Motor an. Sie bastelten ein bisschen rum und konnten sogar eine Lösung finden. Das Problem liegt wohl hauptsächlich an der Höhe. Nun ist der Vergaser an die dünnere Luft angepasst und Alfonso kommt wieder etwas besser die Berge hinauf.
Während die Jungs an Alfonso bastelten kam die Besitzerin des Grundstücks vorbei auf dem wir parkten und brachte uns warme Empanadas. Wirklich sehr gastfreundlich die Ecuadorianer.

In Quito machten wir eine Free Walking Tour und lernten einige interessante Facts über Land und Leute: Wir hörten über einen Präsidenten der gemeinsam mit ein paar Bankern der Bevölkerung Milliarden an Geld gestohlen hat und nun Asyl in den USA hat, über andere Präsidenten die vom Volk hingerichtet wurden oder fliehen mussten, über die Inflation des Sucre und den alternativlosen Wechsel zum Dollar, dass Ecuador das Nr.1 Exportland von Rosen ist, dass Quito einst eine Inka Hochburg war, wegen seiner Nähe zur Sonne und vieles mehr.

Unser letzter Programmpunkt in Quito war die Besteigung des 4000m hohen Vulkan Pichincha. Die dünne Höhenluft machte das Wandern sehr anstrengend, doch die traumhafte Aussicht über Stadt und Bergpanorama entschädigte jeden Schweißtropfen. Kurzzeitig konnten wir sogar schneebedeckte Gipfel von über 5000m hohen, weit entfernten Bergen sehen.

Zu unserem letzten gemeinsamen Frühstück machten unsere Freunde französische Crêpes mit frischer Karamellcreme. Anschließend fuhren sie weiter nach Süden und wir nach Westen Richtung Mindo. Dort angekommen erkundigten wir uns in einem Touristen Büro, was man alles unternehmen kann. Neben Wasserfallwanderungen, Tubing und Canopy konnte man auch eine Schokoladentour buchen. Die 10$ pro Person schreckten uns jedoch etwas ab, so dass wir direkt zu der Schokoladenfabrik "El Quetzal" gingen und fragten, ob wir nicht als Volontäre eine Woche dort arbeiten können. Am nächsten Morgen um 8 Uhr fingen wir an.
Helen half in die Küche, wo aus der Kakaomasse die Schokolade für den Verkauf gefertigt wurde und Flo half den Jungs bei den Männerarbeiten: Kakao rösten, mahlen, eine Tonne voller Ingwer raspeln, 1000 Zitronen pressen, Ingwerbier brauen, Avocado & Macadamia Öle pressen, Tonnen schleppen, Flaschen ausspülen etc.
Helen in der Küche hatte entspanntere Aufgaben: Gießformen spülen und penibelst abtrocknen, Schokoladenmasse aufheizen, temperieren, Förmchen füllen, Schokolade abpacken, Verpackungen beschriften etc. Von Anfang bis Ende also reine Handarbeit.
Wir waren beide ganz froh mit der Aufgabenteilung. Flo konnte mit den Jungs witzeln und wurde direkt als einer von ihnen anerkannt – Hauptthema: Frauen.
Helen stand den ganzen Tag im kühlen, nach Schokolade duftenden Raum und machte die Feinarbeit.
Insgesamt hat uns die Arbeit dort super gut gefallen und wir durften sogar gratis die Schokoladentour mitmachen und lernten einige interessante Facts über die Kakaobohne und -verarbeitung:

Der Kakaobaum braucht 5 Jahre bis er Früchte trägt. Diese reifen wiederum 2 Monate am Baum bis man sie ernten kann. Die neue Hybrid Züchtung trägt etwa bis sie 15 Jahre alt ist, bringt dafür jedes Jahr sehr viel Ertrag. Die traditionelle, ecuadorianische Pflanze kann bis zu 100 Jahre alt werden, wobei die Früchte mit dem Alter des Baumes immer besser werden. Die Früchte der traditionellen Pflanze sind gelb, die der Hybrid Züchtung rot. Jeweils bestehen die Bohnen zur Hälfte aus Kakaobutter. Auch eine chemische Behandlung mit Pestiziden verändert die Früchte: Die Bohnen sind viel größer, aber haben weniger Geschmack. Ökologisch angebauter Kakao hat kleinere, dickere Bohnen, mit intensivem Geschmack. Wenn die Frucht geerntet ist werden Bohnen herausgepuhlt, 4 Tage fermentiert, 20 Tage getrocknet, eine knappe Stunde geröstet, grob gemahlen, per Luftkanal werden die Schalen von den Kakaostückchen (Nibs) getrennt. Die Schalen können als Tee verwendet werden, die Nibs werden weiterverarbeitet. Sie werden fein gemahlen, bis eine cremige Masse daraus wird. Diese wir dann 3 Tage lang conchiert. Aus dieser Kakaorohmasse kann nun entweder Kakaopulver und Kakaobutter hergestellt werden oder Schokolade. Das Pulver kann für heiße Schokolade oder zum Backen verwendet werden, die Butter für weiße Schoko oder Lippenbalsam, Bodylotion etc. Je nachdem wie bitter die Schokolade werden soll, wird gar keiner oder bis zu 33% Rohrzucker der cremig, flüssigen Masse zugefügt und nun beginnt die Feinarbeit.
Die Masse muss auf exakte Temperaturen erhitzt und wieder abgekühlt werden, damit die Tafeln nicht weiß anlaufen. Je nachdem welche Sorte hergestellt wird, werden dann Nüsse, Kaffee, Ingwer o.ä. hinzugefügt. Anschließend wird die Masse in Förmchen gegossen, durch Klopfen und Schütteln wird dafür gesorgt, dass die Schokolade in jede Ecke fließt und anschließend werden die Förmchen auf einer vibrierenden Platte so durchgeschüttelt, dass jedes Luftbläschen aus der Schokolade blubbert und eine knackige, dunkle Tafel entsteht. Vor dem Abpacken kommt die Qualitätsüberprüfung: Chocolatier Don Victor riecht, bricht, probiert und schaut ganz genau den Glanz der Tafel an. Ist die Schokolade zu matt wurde sie nicht exakt temperiert und muss wieder eingeschmolzen werden.
Wenn die Schokolade die strenge Qualitätsprobe besteht wird abgepackt: ab in ein Plastiktütchen, vorsichtig zu schweißen, die Schweißnaht gerade abschneiden, eine Pappschachtel mit dem Datum beschriften, einpacken, zukleben. Nun, nach etwa 30 Tagen Verarbeitung, ist das 50g Täfelchen fertig und kann für stolze 5$ verkauft werden. Klingt nach sehr viel Geld, wenn man jedoch die enorme Handarbeit die dahintersteckt gesehen hat, ist der Preis irgendwie auch gerechtfertigt. Gott sei Dank durften wir gratis etwas naschen und probieren, denn wir können uns dieses edle Produkt beim besten Willen nicht leisten.
An unserem letzten Tag in Mindo durfte Helen noch in einem kleinen Quinoa Restaurant nebenan in die Küche schauen und ein paar leckere Rezepte lernen. Flo ging in der Zeit angeln, durch die wunderschöne Landschaft spazieren und kochte unser Abendessen: Selbstgemachte Schupfnudeln mit Sauerkraut.

Jose, ein Angestellter bei "El Quetzal" erzählte uns dass seine Familie eine kleine Kakaofinca in Puerto Quito betreibt und lud uns ein, ihn dort zu besuchen. Angekommen auf der Finca bekamen wir von Josés Mutter eine Führung durch das Gelände mit leckeren Kostproben direkt vom Baum.
Dort wachsen neben Kakao alle möglichen abgefahrenen  Obst- und Gemüsesorten, von denen wir einige bisher noch nie gesehen hatten. Neben den Pflanzen (hauptsächlich Kakao, Bananen (12 verschiedene Sorten), Yucca, Zuckerrohr, Kaffee, Papaya, Zitrusfrüchte und dann noch ein paar abgefahrene Sachen) haben sie auch einige Nutztiere (Hühner, Schweine, Enten, Truthahn, Meerschweinchen, Fische) und eine kleine Käsefabrik. Abgesehen vom Kakao nutzen sie das alles hauptsächlich zum Eigenverbrauch – auch die Meerschweinchen werden hier gegrillt. Auf der gesamten Finca arbeiten sie nur ökologisch und verwenden keine chemischen Dünger oder Pestizide. Außerdem legen sie Wert auf Multikultur um Nachhaltigkeit zu gewährleisten.
Wir wurden total nett aufgenommen, bekocht und reichlich mit Leckereien ausgestattet. Außerdem waren alle so begeistert von Alfonso, dass sie ihn uns am liebsten direkt abgekauft hätten.

Um beim Aufbau nach dem Erdbeben vor vier Wochen mit anzupacken, fuhren wir an die Küste nach Pedernales, die Stadt die am stärksten zerstört wurde. Schon auf dem Weg dorthin sah man ein paar Schutthaufen, die wohl mal Häuser waren, Zelte, halb zerfallene Häuser und Schilder mit "Necesitamos ayuda". In der Stadt war fast jedes Haus eingestürzt oder sehr stark beschädigt. Wir kamen uns vor wie in einem Kriegsgebiet. An einer Polizeistelle fragten wir, wo wir uns zum Helfen melden können und wurden zu der Koordinationststelle (COE) zwischen Hilfsorganisationen, Polizei und Regierung geschickt. Dort wurden wir von einem Unicefmitarbeiter zu einem Meeting zum Thema Wasserversorgung und Hygiene in den Notunterkunft-Camps eingeladen. Die verschiedenen NGOs (u.a. Rotes Kreuz, Unicef, Accion contra el hambre (Aktion gegen Hunger), international medical corp, UNHCR, kirchliche Hilfsorganisationen) berieten sich, wie sie schnellstmöglich und effizient die Wasserversorgung sichern und mit Hygienebelehrungen Krankheiten vermeiden können. Wir waren direkt mittendrin und konnten das organisierte Chaos miterleben. Rafael, ein Spanier von Accion contra el hambre, sprach nach dem Meeting kurz mit uns und meinte wir könnten ihm bei der Vorbereitung und Durchführung von Hygieneschulungen helfen.
Am nächsten Tag fuhren wir in das Camp um uns ein Bild zu machen und wurden positiv überrascht von der guten Organisation. In Containern sind Toiletten und Duschen aufgebaut, die recht geräumigen Zelte werden von 2 – 8 Personen bewohnt und sind mit Feldbetten ausgestattet. In der Mitte des Lagers befindet sich ein kleiner "Dorfplatz" mit Volleyballnetz, einem kleinen Spielplatz und zwei großen Unicef Zelten, die entweder als Fußballfeld oder für Versammlungen dienen.
Außerdem gibt es ein paar große Pavillons mit Tischen und Stühlen und es wird eine Küche aufgebaut. Überall ist Polizei und Militär präsent, die sich um die Sicherheit der Leute kümmern. Gleichzeitig unterhalten sie aber auch die Kinder und man sieht nicht selten einen Polizisten mit Volleyball spielen oder ein kleines Kind auf dem Arm tragen. Als wir ankamen war eine Gruppe des Innenministeriums vor Ort, die mit den Kindern Lieder sang und Reime einstudierte. Umgedichtete Versionen von "Para bailar la bamba" zu "Usamos Repelente" (Lasst uns Moskitoschutz benutzen), ein Händewasch Lied und so weiter. Vor allem für die Kinder ist das Camp wie ein riesengroßes Zeltlager zum Spielen, viel Spaß und Unterhaltung. Den Älteren sah man jedoch oft die Trauer und Verzweiflung an, da viele von ihnen neben ihrem Zuhause auch Familienmitglieder und Freunde verloren haben.
Mit Rafael setzten wir uns an einen der Tische und bereiteten die Präsentation vor. Schon bald kamen ein paar neugierige Kinder und nahmen Flo und mich in Beschlag. Wir spielten Pferdchen, Flugzeug und machten schließlich einen langen Zug aus Stühlen…wobei so viele Kinder auf Flos Schoß wollten, dass wir Angst hatten der Stuhl kracht. Am Abend veranstaltete Rafael die Hygiene Sitzung und wir halfen ihm mit Protokollschreiben.
Am nächsten Nachmittag sollten wir Rafael helfen einen neuen Wassertank zu installieren. Wir gingen jedoch schon früher ins Camp um uns mit den Kindern zu beschäftigen. Wir brachten Buntstifte und Mandalas mit und hatten innerhalb kürzester Zeit 30-40 Kinder und auch Erwachsener um uns, die mit Begeisterung die Mandalas ausmalten. Flo holte später noch unseren Faden zum Armbändchen Knüpfen und brachte ein paar Frauen das Knüpfen bei. Zwischendurch spielten wir wieder Pferdchen, Flugzeug und zeigten dem ein oder anderen neugierigen Kind Alfonso. Später half Flo noch bei der Installation des Wassertanks.
Eine kleine, hartnäckige, verschmuste Gruppe kleiner süßer Kinder blieb bis zum Schluss an uns hängen, wir spielten Fangen und Verstecken zwischen den Zelten, erklärten ihnen wo Deutschland ist und dass man dort nicht mit dem Bus hinfahren kann, Flo setzte sich die Kleinen auf die Schultern und wurde mit Küssen überhäuft. Es war wirklich schwer am Ende Abschied zu nehmen.
Generell viel uns auf, dass täglich bemerkenswert schnelle Fortschritte im Wiederaufbau gemacht werden und ein unglaublich großes Zusammengehörigkeitsgefühl unter den Betroffenen herrscht.

Wir brachten noch ein paar Spiele und Klamotten, die wir ausmisten konnten ins Camp und fuhren am nächsten Tag weiter Richtung Süden, um von Puerto Lopez aus auf die "Isla de la Plata" zu fahren. Die Insel ist wie eine kleine Version der Galapagos Inseln, die man im Rahmen einer Tour an einem Tag besichtigen kann – Galapagos für Arme.
Nach einer einstündigen Fahrt auf einem 300 PS Boot kamen wir auf der Insel an und wurden von Meeresschildkröten die sich ums Boot tummelten begrüßt. Ein Guide führte uns über die Insel und zeigte die verschiedenen Pflanzen und Tiere. Und schon bald sahen wir die ersten Blaufußtölpel (eine Art Möwe mit blauen Füßen). Die Vögel waren total unerschrocken und man konnte bis auf einen halben Meter nah an sie heran. Die Aussicht von der Insel auf das tiefblaue Meer rundherum ist gigantisch. Wir kamen an immer mehr Blaufußtölpeln vorbei , entdeckten zahlreiche medizinische Pflanzen und am Ende sahen wir noch "Frigatas", schwarze Meeresvögel die wie große Schwalben aussehen. Die Besonderheit: Die Männchen haben am Hals einen roten Sack, den sie zu einem riesigen Ballon mit Luft aufblasen können um in der Balzzeit Weibchen anzulocken. Nach einem kleinen Snack auf dem Boot sprangen wir noch mit Schnorchel ins Wasser. Dort erwarteten uns ein paar der Darsteller des "Findet Nemo" Films. Unter vielen kleinen und größeren bunten Fischen in den Korallen sahen wir einen Artgenossen von "Kahn" (Halfterfisch, bei Nemo der Chef im Aquarium) und einen großen Schwarm Dories (blauer Doktorfisch) und waren überrascht: Dorie ist in Natur sehr viel größer als man denkt, bestimmt 30-40cm lang! Auf dem Rückweg zum Festland gabs noch eine Überraschung. Auf halber Strecke begleitete uns ein Schwarm Delfine für ein Stückchen, die immer wieder aus dem Wasser sprangen. Ein wirklich toller Ausflug.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen